Jamie Lidells Live-Shows haben seine Legende ausgemacht, damals Anfang der Nuller Jahre, als der Junge aus Brighton noch in Berlin wohnte und einem experimentellen Techno-Ansatz verpflichtet war. Elektronische Soundstrukturen, zackige Beats und ein Stakkato aus Stimmsamples, die der Meister auf der Bühne spontan generierte und kunstvoll zerhackt in schräge Loops verwandelte, machten Jamie zum neuen, aufregenden Entertainer der Clubszene. Immer wieder wurde ihm im Lauf der Jahre von diesem oder jenem Journalisten eine große Pop-Zukunft prophezeit, die Lidell allerdings nie angetreten hat. Er scheint mit seinem Indie-Status auf Warp Records zufrieden zu ein auch wenn sein neuestes, selbstbetiteltes Album, erschienen im Februar, wieder mit einer recht glatten Pop-Funk-Ästhetik sympathisiert. Lidell scheint es sich endgültig gemütlich gemacht zu haben in seiner Liebe zu Soul und Funk, wenig ist geblieben von seinem Aufbruch ins Unbekannte, vielleicht doch – leider – ein Privileg der jeweils jüngeren Generation.
Live allerdings zündet das Feuer seiner großen Stimme noch immer. Als Lidell am vergangenen Mittwoch im Berliner Kesselhaus auftrat, war das Haus gut gefüllt und die Stimmung glänzend. In seinem reflektierenden Trenchcoat gemahnte er an einen seltsam nostalgischen Space-Kadetten, der zwischen Maschinenpark und Bühnenrand hin und her wischte, ganz im Alleingang und mit großer Geste. Kein einfaches Unterfangen, einen Sound der so sehr an Altmeister wie Prince oder James Brown angelehnt ist, ganz ohne Band zu präsentieren, aber genau dort liegt wohl Lidells Idee der Erneuerung durch Technik, der Klassiker mit Hi-Tech-Oberfläche, genau wie sein schimmernder Mantel.